Ganze 28 Jahre sind bereits vergangen, seit Barcelona die Olympischen Sommerspiele ausgerichtet hat. Beim größten Sportereignis der Welt direkt vor der eigenen Haustür durfte Seat natürlich nicht fehlen – und so war der spanische Hersteller 1992 ganz vorn mit dabei und stellte unter anderem das Führungsfahrzeug beim Marathonlauf.
Die Sensation damals: Der Seat Toledo, der den Läufern voranfuhr, war ein Elektroauto. Er wurde speziell für diesen historischen Anlass entwickelt und ging damit in die Unternehmensgeschichte ein.
Der vollelektrische Seat Toledo legte das Fundament für die Elektro-Offensive des spanischen Automobilherstellers, die mit dem Seat Mii Electric als Vorboten nun neu befeuert wurde: Erst kürzlich hat Seat für die nächsten fünf Jahre ein umfangreiches Investitionsvorhaben in Höhe von fünf Milliarden Euro bekanntgegeben. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Elektrifizierung, die inzwischen zu einem der Hauptpfeiler des Unternehmens geworden ist.
Aus diesem Anlass hat Seat kürzlich sein ältestes und sein jüngstes E-Modell – den Seat Toledo und den Seat Mii Electric – den «Olympiaberg» Montjuic bei Barcelona hinaufgeschickt. Der Toledo hatte im Rahmen dieser generationsübergreifenden Ausfahrt Gelegenheit zu zeigen, ob er mit seiner Reichweite von bis zu 55 Kilometern auch mit den jungen Generationen mithalten kann.
Das erste Elektroauto von Seat wurde 1992 geboren. Das Regelwerk für den Marathonlauf der Olympischen Spiele schrieb vor, dass das vorwegfahrende Fahrzeug emissionsfrei sein müsse. Deshalb ist die Idee elektrischer Olympia-Autos auch nicht neu: Bereits 20 Jahre zuvor, 1972 in München begleitete ein BMW 1602 mit Batterien den Marathon.
Der BMW 1602 mit Elektromotor für die Olympiade 1972
Doch gehen wir wieder ins Jahr 1992: Seat erkannte die Gelegenheit und baute eines seiner damals brandneuen Toledo-Modelle zu einer vollelektrischen Version um. In nur drei Monaten brachten die Experten von Seat ihr erstes E-Modell auf die Straße.
Ingenieur Thomas Kurz war am Umbau beteiligt und erinnert sich gern an diese großartige Leistung: «Damals war die Herstellung eines Elektrofahrzeugs etwas völlig Neues, das war also sehr aufregend. Das Fahrzeug war so einmalig, dass wir es nach seiner Fertigstellung zuerst in Deutschland zulassen mussten, weil niemand wusste, wie man ein Elektrofahrzeug in Spanien anmeldet.»
Das Hauptziel bestand damals darin, sicherzustellen, dass die 500 Kilogramm schwere Batterie des Seat Toledo genug Energie liefern würde, um die gesamte Marathonstrecke von 42,195 Kilometern durchzuhalten.
Dieses Ziel wurde erreicht: «Damals waren Elektrofahrzeuge für den Markt nicht interessant. Wegen des Batteriegewichts, der niedrigen Energieleistung und der geringen Reichweite waren sie als Standardfahrzeuge einfach nicht rentabel», erklärt Thomas Kurz. «Die Reichweite genügte gerade so für den Marathon, denn man muss bedenken, dass die Strecke teils auch steil bergauf führte, wodurch der Seat Toledo einen höheren Energieverbrauch hatte.»
Doch in 28 Jahren hat sich viel getan: Die Batterie des Seat Mii Electric wiegt mit 250 Kilogramm nur noch die Hälfte und liefert dabei Energie für sechs Marathons.
Trotz ihres Altersunterschieds haben die beiden Modelle eines gemeinsam: die wenigen Modifikationen, die an der Karosserie nötig waren, um sie zu Elektroversionen umzubauen. Im Fall des Seat Toledo gab es kaum Änderungen: Im Kofferraum wurde eine Art Schale für die Batterie eingebaut und die Bremsen hatten eine überdimensionierte Trommel, die beim Bremsvorgang das höhere Gewicht des Fahrzeugs ausglich.
«Bei der Hauptuntersuchung mussten wir zeigen, dass er 50 Stundenkilometer erreichen und bei dieser Geschwindigkeit innerhalb einer bestimmten Distanz zum Stehen kommen konnte», erinnert sich Thomas Kurz.
Vor fast drei Jahrzehnten waren 16 kW (22 PS) Leistung für die vorgegebene Aufgabe mehr als ausreichend. Der elektrische Seat Toledo sollte sich nach der Geschwindigkeit der Marathonläufer richten – und diese liegt unter 30 km/h. Eine Herausforderung bestand jedoch darin, vorab zu testen, ob das Fahrzeug bei dieser Geschwindigkeit auch die Ziellinie erreichen würde.
«Wir konnten den elektrischen Seat Toledo nicht auf der tatsächlichen Marathonstrecke testen, denn dann hätten wir Straßen sperren und sogar gegen die Verkehrsrichtung fahren müssen», erzählt Thomas Kurz. «Also sind wir auf die Teststrecke gefahren und haben Parameter verwendet, die wir vorher mit einem anderen Modell gesammelt hatten. Und ja, wir haben den Seat Toledo ausgiebig getestet.»
Der 61 kW (83 PS) starke Seat Mii Electric und der elektrische Seat Toledo haben das Olympiastadion auf dem Berg Montjuic umrundet. Der Seat Toledo wurde zuvor modernisiert und zeigt sich nach der Restaurierung in perfektem Betriebszustand – ganz zur Freude von Isidre López. Er betreut seit mehreren Jahren die «Coches Históricos», die Sammlung historischer Fahrzeuge aus der 70-jährigen Geschichte von Seat, und hat das Restaurierungsteam geleitet:
«Der elektrische Seat Toledo ist eines der Juwelen in unserem Museum. Unsere Fahrzeuge sind für uns nicht nur Ausstellungsstücke – wir wollen, dass sie funktionsfähig sind und damit ihr Wesen bewahren», sagt Isidre López. «Beim Seat Toledo haben wir die alten Blei-Gel-Akkus ausgetauscht und die Elektrik erneuert. Damals, 1992, hat das Team großartige Arbeit geleistet; das Fahrzeug funktioniert noch immer einwandfrei und könnte auch heute noch den einen oder anderen Marathon mitfahren.»